Samstag, 15. März 2025
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Breslauer Platz: umgestürzter Baum und zwei weitere Baumfällungen

Baumfällung

Von Michael Springer

In Tempelhof-Schöneberg ist die Demokratie und die Rolle der Lokalpresse auf den Kopf gestellt!

Das geht so: In der Pressemeldung Nr. 004 vom 03.01.2024 wird ein „Unfall mit umgestürztem Baum auf dem Breslauer Platz in Berlin Friedenau“ angesprochen.

Erst kommt die Entschuldigung vom zuständigen Bezirksamt:

„Am 2. Januar 2024 ereignete sich auf dem Breslauer Platz in Berlin Friedenau ein tragischer Vorfall, bei dem ein Baum umstürzte und mehrere Personen verletzt wurden. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg möchte sein tiefes Bedauern über diesen tragischen Unfall ausdrücken und wünscht allen Beteiligten eine rasche Genesung. Der genaue Unfallhergang wird derzeit untersucht, wozu ebenfalls eine externe Begutachtung eingeholt wird.“

Danach kommt die Nachricht:

„Nach den vorliegenden Informationen erhielt der Fachbereich Grünflächen des Straßen- und Grünflächenamts gegen 14:30 Uhr einen Anruf von der Polizei, die über den Vorfall informierte. Die zuständigen Mitarbeiter_innen des Fachbereichs Grünflächen begaben sich unverzüglich zur Unfallstelle, um die Aufräumarbeiten zu unterstützen und den Baumstamm für weitere Untersuchungen sicherzustellen.“

Danach eine wortreiche Erklärung:

„Der betroffene Baum, eine Roteiche (Quercus rubra) im Alter von etwa 42 Jahren mit einem Stammumfang von etwa 146 Zentimetern, stand in einem Hochbeet auf dem Breslauer Platz. Wie alle Stadtbäume im Bezirk wurde auch dieser Baum während der jährlichen Sichtkontrolle auf Schadsymptome untersucht. Die letzte Baumkontrolle hat im Juni 2023 stattgefunden, bei der keine Sicherheitsbedenken festgestellt wurden. Bei ersten Untersuchungen am Unfalltag durch die bezirkliche Baumkolonne wurde ein Pilzbefall festgestellt. Ob dieser mit dem Umsturz in Zusammenhang steht, ist derzeit noch nicht festzustellen. Als Vorsichtsmaßnahme und zur Verhinderung weiterer Schäden wurde die Fällung von zwei weiteren Bäumen in den Hochbeeten am Breslauer Platz veranlasst.“

Schuldhaftes Versagen bei Baumkontrollen?

Die Art der Nachrichtenpräsentation in eigener Sache deutet auf ein „schlechtes Gewissen“ und eine proaktive Entlastungsabsicht hin! — Tatsächlich ist hier von einem im Klimawandel bekannten Phänomen auszugehen: Straßenbäume haben in den zurückliegenden Jahren einen großen Teilverlust der stützenden Wurzeln infolge Wassermangel erlitten.

Wird eine Baumkontrolle im Juni durchgeführt, hat die Roteiche (Quercus rubra) ihr Blattwerk noch nicht vollständig ausgeprägt und ausgewachsen. Bei trockenen Boden wird bei einer Sichtkontrolle „dem Augenschein nach“ eine Standfestigkeit und Verkehrssicherheit festgestellt.

Nach längeren Regenfällen im Dezember, völlig durchweichten Boden — und überdies bei Sturmböen zum Jahreswechsel — kann ein Baum jedoch völlig überraschend „umfallen.“ Das verbliebene intakte Wurzelwerk kann sich aus dem Boden herauslösen. Oder der Baum mit dem von Dürrejahren stark geschrumpften Wurzelteller stürzt ganz um.

Für den verantwortlichen Baumkontrolleur und den Dienstherrn ist zu klären, ob schuldhaftes, fahrlässiges oder grob fahrlässiges Handel festzustellen ist. Oder ob höhere Gewalt vorliegt.

Baumkontrollen: neue Methodik im Klimawandel notwendig?

Die bisherige Praxis der VTA-Baumkontrollen fokussiert auf die Untersuchung des Baumstamms und des Astwerks mit Krone. Die gebräuchlichen Prüfmethoden sind auch nicht geeignet, das Versagen der Standfestigkeit bei durchnässten Boden und bei Sturm vorher zu sagen.
So liegt hier aktuell ein Grenzfall vor, bei dem die Erkennbarkeit der Ursachen nicht unmittelbar gegeben ist, und eine höhere Gewalt anzunehmen ist. — Eine Messung der Baumstatik per Zugversuch ist zudem sehr aufwändig und auch nur begrenzt prognosefähig, zumal wenn nachträglich eine Bodenvernässung eintritt.
In jedem Fall sind die Dürreursachen und die Vernässungs-Ursachen nachträglich klar erkennbar und nicht rein zufällig. — Eine Projektstudie „Umweltrechtliche Haftungsfragen“ des Instituts für Umweltrecht der Johannes Kepler Universität Linz, im Auftrag des Magistrat Wien, zeigt auf, wie kompliziert die Rechtslage bei allen Fragen der Baumhaftung sind.

Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und auch die Unfallkasse Berlin werden sich mit dem Thema grundsätzlich befassen müssen, denn im Berlin ist eine große Vielzahl von großen und alten Bäumen durch die Dürrejahre geschädigt. — Das Land Berlin ist hier in der Pflicht, die erforderliche Methodik der Baumkontrolle zu überarbeiten.

m/s