Die Berliner Polizei feiert ihre Social-Media-Aktivitäten und vermeldete gestern „Happy Birthday polizei.berlin“.
Der Original-Text wird hier ungekürzt wiedergegeben:
„365 Tage ist der einzige polizeiliche Snapchat-Account einer deutschen Polizeibehörde nun online. Das Social Media Team der Polizei Berlin feiert den heutigen Geburtstag seines jüngsten Social Media Auftritts „Polizei.Berlin“ auf der YOU Messe 2017 – dort wo auch im letzten Jahr die Account-Eröffnung stattfand.
Neben täglichen Informationen zu polizeilichen Themen, erhielten die überwiegend jungen Follower Live-Eindrücke aus laufenden Einsätzen und Veranstaltungen. Auch Einblicke hinter die Kulissen der Arbeit des Social Media Teams wurden den Betrachtern geboten.
Bereits zwei Mal wurde der Account für mehrere Wochen von Auszubildenden der Polizeiakademie und Studierenden der HWR Berlin übernommen. Auch während der Kampagnen #NoNotruf und #24hPolizei berichteten die Beamtinnen und Beamten auf Snapchat.
Die täglich veröffentlichten Inhalte werden inzwischen über 30.000 Mal angesehen. Darüber hinaus nutzen viele der Follower die Möglichkeit des privaten Chats mit den Polizistinnen und Polizisten. Das Social Media Team der Polizei Berlin berichtet, es ist deutlich erkennbar, dass sich die junge Zielgruppe dabei in ihrer mobilen „Wohlfühlzone“ befindet. Die Chats seien sehr authentisch und bereiten auch dem Team sehr viel Freude.“
Natürlich wird auch auf die Kontakt-Möglichkeit hingewiesen:
„Wer sich gerne selbst ein Bild von den Snapchat-Meldungen der Polizei Berlin verschaffen möchte, kann den Account unter folgendem Link erreichen: https://snapchat.com/add/polizei.berlin
Kommentar: Allgemeine und Verfassungsrechtliche Bedenken
Mit der der Einrichtung eines Social-Media-Kanals sind verschiedene Auswirkungen verbunden, die weder durch das Parlament, noch durch Datenschutzbeauftragte noch durch verfassungsrechtliche Bewertung und juristische Prüfungen gegangen sind. Während Twitter ein öffentlicher Kanal ist, erfordert Facebook ein Mitgliedschaft – ebenso wie Snapchat.
Je nach Technik und Einstellungen entsteht über Facebook und Snapchat eine „persönliche Verbindung“, die durch Datenübermittlung von Personendaten, digitalen Daten und sogar aktuellen Ortsdaten angereichert ist.
Während Facebook noch „Öffentlichkeitscharakter“hat, und Daten auf Dauer archiviert, ist Snapchat auf „Temporalität, direkten Kontakt und selektive Speicherbarkeit“ durch die Teilnehmer charakterisiert.
Grundsätzlich stellt ich die Frage, ob die Polizei Berlin durch die Social-Media-Aktivitäten „besondere Rechtsbeziehungen“ zu „Smartphone-Nutzern“ schafft, die dem Verfassungsgrundsatz nach Artikel 3 (1) Grundgesetz zuwiderlaufen, wonach „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ sind.
Auch ob Artikel 3 (2) mit der Förderung der Gleichberechtigung eingehalten wird, ist fraglich. Noch schwieriger ist es mit dem Artikel 3 (3), wonach „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
De Facto werden Bürgerinnen und Bürger je nach Vorhandensein und Funktion von mobilen Telefonen bevorzugt. Durch persönliche Kenntnis der Person entsteht auch im fiktiven Notfall eine Bevorzugung, weil Personen mit Echtzeit-Ortsdaten im Zweifelsfall schneller persönlichen Schutz oder Hilfe bekommen.
Freiheit der Meinungsäußerung und Pressefreiheit
Die öffentliche Behörde Polizei muss das Neutralitätsgebot beachten. Zugleich ist zu fragen, ob die Freiheit der Meinungsäußerung und Pressefreiheit tangiert werden.
Tatsächlich entsteht mit dem Snapchat-Kanal eine hoch selektive Kommunikationssphäre, die weder „transparent“ noch öffentlich ist. Für die Presse ist diese Kommunikationssphäre nicht „öffentlich“ sondern nur „selektiv“ und ggf. „digital-konspirativ“ einsehbar. Der Aufwand ein presserechtlich funktionierende „Transparenz“ herzustellen, ist weder nach Zeit noch nach Kosten darstellbar – zumal es dafür keine Werbefinanzierung im digitalen Raum gibt.
Ordnungspolitisch ist daher die Einrichtung eines „selektiven Gesprächskanals“ höchst bedenklich! Vor allem wird hier der Grundsatz der Gewaltenteilung ausgehebelt, weil die Polizei-Social-Media-Abteilung praktisch ohne öffentliche Kontrolle direkt mit einer höchst selektiven Auswahl von technisch versierten Bürgern mit modernen Smartphones kommuniziert.
Die Frage stellt sich, ob die Social-Media-Abteilung der Polizei nicht eine Rechtspflicht hat, mindestens im Nachhinein die „Snapchat-Kommunikation“ öffentlich nachvollziehbar zu dokumentieren, und vor allem auch mit Facebook- und Twitter-Kanal zu harmonisieren.
Vorläufige Entscheidung des Herausgebers
Alle Fakten, Ereignisse und Texte, Bilder und Videos aus Snapchat werden als „Privatvergnügen“ betrachtet, für die es kein presserechtlich öffentliches Interesse gibt. Deshalb gilt: journalistische Nichtbefassung, solange Ereignisse nicht öffentlich zugänglich sind.