Von Michael Springer
Der ehemalige „Straßenbahnbetriebsbahnhof X“ im Bezirk Schöneberg wurde 1898-1900 im Rahmen einer Serie von insgesamt 8 neuen Betriebsbahnhöfen im Auftrag der Großen Berliner Straßenbahn (GBS)
errichtet. Die Pläne stammten vom Oberingenieur Joseph Fischer-Dick, der das Wagendepot als einen eingeschossigen Backsteinbau und dreischiffige Halle mit einer Grundfläche von 87 x 119 m für mehr als 270 Straßenbahnen einrichtete. Der Gebäudekomplex wurden 1964 durch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) stillgelegt, die Straßenbahnen verschwanden aus dem Stadtbild im damaligen Berlin-West.
Danach wurde ein Fahrzeugdepot der Polizei Berlin für beschlagnahmte Fahrzeuge und der Fuhrpark des Landes Berlin wurde hier eingerichtet. Das Fahrzeugdepot ist inzwischen nach Biesdorf verlegt.
Denkmalschutz für den ehem. „Straßenbahnbetriebsbahnhof X“
Das ehemalige Straßenbahndepot ist in der Berliner Denkmalliste als Baudenkmal ausgewiesen. Bei ei-
ner künftigen Planung ist zu berücksichtigen, dass die Außenanlagen (z.B. Schienen, Pflasterung) ebenfalls denkmalwert sind
Damit unterliegt das Gebäude dem Denkmalschutzgesetz. Es darf nicht ganz oder in Teilen abgerissen
werden. Bauliche Veränderungen sind nach Prüfung durch die Denkmalschutzbehörden genehmigungs-
fähig, wenn der Denkmalwert des Gebäudes oder seiner Bestandteile nicht beeinträchtigt wird.
Erste Pläne für neue Nutzungen an der Belziger Straße
Erste Pläne für die Verlagerung des Fahrzeugdepot der Polizei Berlin erfuhr der Bezirk Tempelhof-Schöneberg schon im Jahr 2012. — Die Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks beschloß bereits in 2013, dass sich der Bezirk beim Land Berlin für eine Vergabe in einem Investorenwettbewerb mit einem Konzeptverfahren einsetzen soll.
Zwei Bürgerveranstaltungen zur Entwicklung des ehemaligen Straßenbahndepots fanden am 12.10.2017 und 18.11.2017 statt ( Dokumentation ).
Die Liegenschaft befindet sich im Vermögen des Landes Berlin. Die BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) bewirtschaftet die Immobilie und hat bereits drei Varianten für eine Entwicklung und Bebauung des Grundstücks vorgelegt.
Seitens des Bezirks wurden zwei der drei Varianten der BIM berücksichtigt, die sowohl kleinteiligen Einzelhandel (Versorgung der Wohnbevölkerung) als auch Büro-/Ateliernutzungen und Wohnbebauung (im Neubau) vorsieht.
In den gesammelten Anmerkungen und Ideen der Bürgerbetieligungen wurde der Bedarf eines multifunk-
tional genutzten Ortes deutlich:
- Wohnen,
- gewerbliche,
- gemeinschaftliche soziokulturelle sowie
- kulturelle Nutzungsmöglichkeiten
wurden nachgefragt. In der damaligen Abstimmung zwischen dem Senat und dem Bezirk wurde avisiert, zwei der drei Hallenschiffe dem Senat für kulturelle Zwecke zur Verfügung zu stellen. Eine Halle soll dem Bezirk überlassen werden. Dies ist auch 2022 so mit der alndeseigenen BIM so vereinbart worden.
Nutzungsansprüche – ohne Visionen?
Wegen der knappen Finanzen hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg nicht die Kraft, um in Eigenregie eine Projektentwicklung in Kooperation mit der BIM in Gang zu setzen. Voraussichtlich wird der Bezirk nur noch Teilflächen beanspruchen können.
Die Senatskulturverwaltung hat offenbar schon ein Konzept und möchte hier ein „Probebühnenzentrum mit mehreren Probebühnen für verschiedene Theater“ in den Hallen unterbringen.
Das ehemalige Straßenbahndepot ist aufgrund des vorhandenen denkmalgeschützten Gebäudebestands und seiner Lage im Schöneberger Kiez sowie der Eigentumsverhältnisse stadtentwicklungspolitisch ein Schlüsselgrundstück. Bisher lagen Zielsetzungen dabei im Feld der sozialen oder kulturellen Nutzungen, für die hier ein großes Potential besteht. Ferner sollten in denkmalrechtlich vertretbaren Umfang Wohnungen entstehen.
Zukunftsprojekt für ein klimaneutrales Schöneberg?
Heute haben sich die Prioritäten in der Stadtentwicklung aufgrund des Klimanotstands verschoben. Klimaschutz, Energiesparen und Erneuerbare Energien haben höchste Priorität. Zudem muss über eine nachhaltige Regenwassernutzung und Hitzeschutz im Sommer neu nachgedacht und geplant werden.
Nachhaltige Mobilität hat ebenfalls hohe Priorität. Wer nach Barcelona blickt und „Kiezblöcke“ planen will, braucht zentrale Parkhäuser und Pool-Garagen.
Ein „Zukunftsprojekt für ein klimaneutrales Schöneberg“ könnte entstehen, das über Zwischennutzungen hinaus neue städtebauliche Synergien der 15-Minuten-Stadt plant und vor allem auch die Integration von Arbeiten, Infrastruktur, Wohnen und Kultur in Synergien plant. Dazu muss baurechtlich angesetzt werden, die neue Baunutzungsverordnung erlaubt mit § 6a BauNVO die Festlegung von „Urbanen Gebieten,“ die auch eine stärkere Nutzungsmischung und höhere Wertentwicklung zulassen.
Vor allem Im Bereich der Medien, der Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine stärkere Integration von Wohnen, Arbeiten und Gewerbe eine sichere Perspektive für ein städtebauliches „Zukunftsprojekt klimaneutrales Schöneberg“, das Klimaneutralität auf Bebauungsplan-Ebene voranbringen kann!