Das Thema Mobbing schlägt hohe Wellen. Mobbing ist Gewalt und psychische Gewalt, die gegen Schwächere ausgeübt wird. Erschütternde Einzelfälle werden öffentlich berichtet. Auch systemische Muster und besondere kulturell ausgeprägte und politisch unterlegte Muster werden öffentlich diskutiert:
– antisemitische Gewaltmuster und Mobbing,
– antideutsche Gewaltmuster und Mobbing,
– Gruppendynamik mit Gewalt und Mobbing gegen Einzelne.
Aus Untersuchungen ist bekannt, dass bis zu fünf Prozent der Schüler längere Zeit unterschiedlichen Formen von Mobbing ausgesetzt sind: Hänseleien, Schläge, Schubsen – auch Formen des Diebstahls und Beschädigung von Sachen, sogar Erpressung.
Das Problem: Lehrkräfte können Gewalt und Mobbing oft nicht erkennen, weil die Vorfälle zumeist nicht offen und vor den Augen der Lehrer geschehen. Wenn Mobbing zum Thema wird, Kinder und Eltern sich beklagen, wird oft nur im Einzelfall reagiert. Die Lehrer sprechen mit den Tätern, und ergreifen einzelne disziplinarische Maßnahmen, die aber nur einzeln wirken.
Mobbing und Gewaltprävention gehen die ganze Schule an
Wenn Kinder aus unterschiedlichen Nachbarschaften, Kulturkreisen und Herkünften in der Schule zusammen treffen, gibt es keinen gemeinsamen Wertekanon. Eine gemeinsame Kultur und Interkultur muss in der Schule erst erarbeitet, gelernt und gelebt werden. Die wichtigste Erkenntnis ist heute die gemeinschaftliche Behandlung und Thematisierung von Gewalt, Gewaltformen, von Mobbing und Gewaltprävention.
Im Klassenverband gehören Mobbing-Prävention und Gewaltprävention zum „Teambuilding“ und zu den Lernzielen. Die Bildung eines gemeinsamen Wertekanons ist in einer multikulturellen Schülerschaft unerläßlich.
Doch wie kann dieser gemeinsame Wertekanon entstehen, wenn jeder Lehrer anders handelt, anders straft und sich je nach Klasse unterschiedlich verhält, mal toleriert und manchmal sofort eingreift?
Gewalt, Mobbing, soziale Ausgrenzung erkennen
Es ist für alle Lehrer wichtig, alle Formen von Gewalt und Mobbing und Formen sozialer Ausgrenzung bei ihren einzelnen Schülerinnen und Schülern erkennen zu können. Besonders die stillen Formen von sozialer Ausgrenzung sind aber schwer erkennbar. Mit 27 Kindern in einer Klasse, manchmal aus bis zu dreizehn Nationen, dazu mit mit vielen Muttersprachen, ist es aber für Lehrerinnen und Lehrer nicht leicht. Sie können nicht ständig einen 360°-Blick haben. Lehrer müssen daher zu allen Schülerinnen und Schülern Kontakt halten, und vor allem auch mit den stillen und scheinbar zurückgezogenen Einzelkindern im Gespräch bleiben – und auch Vertrauen aufbauen.
Politisch, ideologisch oder religiös motivierte Gewalt und Mobbing?
Bei Kindern unter 14 Jahren sollte vorsichtig mit Einstufungen ihres Verhaltens umgegangen werden. Kinder greifen Argumentationsmuster aus ihrem sozialen Umfeld auf. Antisemitische Äußerungen und vermeintlich muslimische Formen der Beschimpfung sind vor allem „dumm“ und lassen eine fehlende Bildung und einseitige Kommunikation im Elternhaus erkennen. Mit dem „Diktum“ „antisemitisch“ oder „muslimisch“ werden die Kinder nach solchen Vorfällen schon verurteilt, ohne ihnen einen Ausweg in eigener Selbsterkenntnis zu weisen.
Kinder unter 14 Jahren werden so politisiert, wo einfach nur stupende Dummheit und Unverstand am Werke waren, wenn etwa ideologische Formeln mißbraucht werden. Kinder sollten aus Fehlern dazu lernen können!
Schulkonflikte sollten daher nicht von außen zusätzlich politisch und ideologisch aufgeladen werden, weil sonst nur noch mehr Polarisierungen und Opfer zuwachsen.
Gesamtverantwortung und aktive Schulgemeinschaften
Wenn Lehrkräfte selbst zum Ziel von politisch oder religiös motivierten Mobbing werden, und ganze Gruppen ins Visier von Einzeltätern oder Gruppen geraten, ist unbedingt Hilfe von Außen geboten. Autoritätsverlust ist nur zu vermeiden, wenn Schulleitung und Lehrerschaft zusammen nach gemeinsamen konsequenten Konzept arbeiten.
Was in der Sozialwissenschaft zum Thema Mobbing längst als Erkenntnis gereift ist: Mobbing wirkt vor allem durch tatenlose Beobachter weiter fort.
Schulen sollten deshalb eine klassen- und jahrgangsübergreifende Diskussion und Wertekultur fördern, in der mit allen Fragen offen umgegangen wird. Aucb Zivilcourage und Empathie mit Opfern müssen letztlich gelehrt und durch Vorbilder gefestigt werden.
Die Schweigespirale muß durchbrochen werden. Alle müssen wissen, was gegen Mobbing getant werden kann – sowohl mögliche Täter, als auch potentielle Opfer.
Aus vielen internationalen Erfahrungen ergeben sich heute auch gute und nachhaltige Ansätze für „Anti-Mobbing-Programme“. Aus Norwegen stammt das „Präventions- Interventionskonzept„, das von dem in Bergen (Norwegen) emeritierten Prof. für Psychologie Dan Olweus entwickelt wurde.
Sein Konzept unterscheidet Maßnahmen auf Schulebene, auf Klassen-Ebene und auf persönlicher Ebene.
Dan Oleas rät auch zu Eimzelgesprächen „Ratsam: Zunächst Einzelgespräche mit den Täter-Eltern und Opfer-Eltern führen“. Und er hält hilfreiche Tips für Eltern von Mobbing-Opfern bereit.
Auch für Helikopter-Eltern hat er Rat: „Eine „übermäßig beschützende Haltung“ hemmt den Kontaktaufbau mit Gleichaltrigen“.
Nachtrag: Strafmündigkeit und Mobbing:
Das deutsche Strafgesetzbuch schreibt für die Strafmündigkeit das vollendete 14. Lebensjahr vor (§ 19 StGB). Dabei benutzt das Gesetz selbst den Begriff „Strafmündigkeit“ nicht, sondern spricht von Schuldunfähigkeit des Kindes.
Im Interesse einer pädagogisch gelingenden Schulkultur sollte in der Öffentlichkeit keine vorschnelle Politisierung von Schulkonflikten erfolgen. Die Beteiligten in der Schule müssen die Probleme immer selbst lösen. Journalismus und Presse sollten deshalb auch die gebotene Zurückhaltung bei Grundschülern üben – und nicht von Außen noch durch Schlagworte und Bewertungen Konflikte verstärken.
Bei höheren Altersstufen von Schülern gelten strengere Maßstäbe, die auch politsche und moralische Verantwortung einschließen. Hass, Hassverbrechen, Mobbing und politsche Menschenfeindlichkeit müssen im strafmündigen Alter konsequent und politisch-pädagogisch bekämpft werden.